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Niederlage für Verbraucher und Patienten

Liste von Werbeversprechen für Pflanzenstoffe bei Nahrungsergänzungsmitteln liegt weiter auf Eis

  • Bionorica unterliegt mit ihrer Klage wegen Untätigkeit gegen die EU-Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof aus formellen Gründen
  • Auch nach über zehn Jahren seit Inkrafttreten: Liste von zulässigen gesundheitsbezogenen Aussagen („Health Claims“) von pflanzlichen Stoffen und Zubereitungen bleibt weiter durch die EU-Kommission unbearbeitet. 
  • Mehr als 2.000 dieser für Verbraucher oft irreführenden, ungeprüften Health Claims kursieren damit weiter europaweit
Niederlage für Verbraucher und Patienten

Neumarkt i.d.OPf./Luxemburg, 24. November 2017 – Es ist ein Urteil gegen den Verbraucherschutz, das gestern vor dem der Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg verkündet worden ist: Die Klage von Bionorica, dem Hersteller pflanzlicher Arzneimittel aus dem oberpfälzischen Neumarkt (Bayern), gegen die Europäische Kommission wegen Untätigkeit wurde zwar formell als unzulässig abgewiesen, eine Untätigkeit der EU-Kommission aber festgestellt. Es ging um eine Verordnung aus dem Jahr 2006, die festlegt, dass gesundheitsbezogene Angaben zu Lebensmitteln nur noch gestattet sind, wenn sie wissenschaftlich bewertet und von der EU-Kommission zugelassen sind. Die Umsetzung dieser Verordnung wurde 2010 von der Kommission ausgesetzt. Dagegen klagte Bionorica. Derzeit befinden sich in Europa mehr als 2.000 ungeprüfte Health Claims (Gesundheitsbezogene Werbeaussagen) im Umlauf.
Der EuGH in Luxemburg sah für Bionorica kein Rechtsschutzinteresse an der Untätigkeitsklage gegen die Europäische Kommission, weil das Unternehmen keine Lebensmittel, sondern pflanzliche Arzneimittel herstellt. 
 
„Das ist ein Schlag für die Verbraucher!  Sie wurden und werden in unseren Augen getäuscht. Viele meinen ja, dass sie ein geprüftes Arzneimittel kaufen, weil sie falschen Werbeversprechen glauben“, erklärt Prof. Dr. Michael A. Popp, Vorstandsvorsitzender und Inhaber der Bionorica SE. „Wir hatten dafür gekämpft, dass gesundheitsbezogene Angaben und Wirkversprechen der Nahrungsergänzungsmittel – wie vom europäischen Gesetzgeber auch in einer Verordnung von 2006 verpflichtend vorgeschrieben – wissenschaftlich bewertet werden müssen, bevor sie werblich verwendet werden dürfen“. Das heutige Urteil sei daher eine Niederlage für die Verbraucher, denn es beendet nicht die im Hinblick auf gesundheitsbezogene Werbeaussagen für Pflanzenstoffe über zehn Jahre andauernde Untätigkeit der EU-Kommission. „Gegen diese Untätigkeit hatten wir 2014 geklagt. Denn wir sind der Auffassung, dass europarechtlich vorgegebene Verfahren, gerade wenn sie dem Verbraucherschutz dienen, nicht einfach ausgesetzt werden dürfen“, so Popp weiter.

Über 2.000 ungeprüfte Werbeaussagen im Umlauf

Über 2.000 ungeprüfte Werbeaussagen im Umlauf

Die EU-Kommission und ihr ausführender Arm, die European Food Safety Authority (EFSA), hatten die Prüfung der Health Claims im Jahr 2010 gestoppt, als bereits abzusehen war, dass ein Großteil der gesundheitsbezogenen Aussagen der Botanicals nicht hinreichend wissenschaftlich belegt werden kann. Laut Health Claims-Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 sind für alle Lebensmittel Aussagen verboten, die sich auf die Verhütung, Linderung oder Beseitigung von Krankheiten beziehen. 1 Sie werden überwiegend bei sogenannten Botanicals eingesetzt. Botanicals sind pflanzliche Stoffe und Zubereitungen, wie etwa Cranberry, Ginkgo oder Ginseng, die in Form von Nahrungsergänzungsmitteln europaweit frei verkauft werden – und das mit ungeprüften, nicht belegten Wirk- und Werbeaussagen.

Pflanzliche Arzneimittel vs. Botanicals

„Um Ärzten, Apothekern und Verbrauchern die Qualität unserer pflanzlichen Arzneimittel zu beweisen, belegen wir deren Wirkung und Unbedenklichkeit mit anerkannten pharmakologischen und klinischen Studien“, erklärt Prof. Popp. Sie wirken nachgewiesen. Bei Botanicals ist dies nicht der Fall – gleichwohl erwecken diese den Anschein, als handele es sich um richtige Arzneimittel. „Damit werden Hersteller pflanzlicher Arzneimittel wie Bionorica, die den Wirknachweis ihrer Präparate erbringen und viel Geld in die Forschung und Zulassung investieren, entschieden benachteiligt.“